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Rebhuhnbestand in Fellbach am Tiefpunkt angelangt

 

Rebhuhnbestand im Jahr 2017/2018 in Fellbach am Tiefpunkt angelangt

 

NABU warnt, dass die Art demnächst ganz verschwunden sein könnte und beklagt nach wie vor Defizite bei Maßnahmen

Von Winterwunderland keine Spur. Ein zwar kalter, aber auch nasser Winter, mit relativ wenig Schnee geht dem Ende zu. Hochsaison für die Rebhuhnzähler: Bevor die Vegetation die bodenlebenden Vögel mit ihrer guten Tarnung wieder förmlich verschluckt, suchen sie die Felder nach den letzten Überlebenden der mittlerweile akut vom Aussterben bedrohten Vogelart ab. Doch so erschreckend wie in diesem Jahr waren die Ergebnisse noch nie, berichtet der Ornithologe und NABU Sprecher Michael Eick, der die Zählungen seit vielen Jahren durchführt.

„Die aktuelle Lage ist absolut prekär,“ betont Eick, „in den allermeisten Teilgebieten sind überhaupt keine Rebhühner mehr festzustellen.“ Nur noch in zwei Gebiet konzentriere sich der Bestand, „wenn man überhaupt von einer Konzentration sprechen kann,“ so Eick resigniert.

 

Der Diplom-Biologe hat die kalten Nächte der letzten Wochen genutzt, um intensiv nach den Vögel zu suchen und den Bestand in und um Fellbach sowie Kernen und Weinstadt exakt zu erfassen. „Während andere in den Faschingsferien Ski fahren gehen oder eine Narrenkappe aufziehen, zähle ich lieber Rebhühner,“ sagt der der Ornithologe, der sich entsprechend kältefest eingekleidet hat und mit professioneller Ausstattung seine Zählungen macht.

 

Es sehe leider aktuell schlecht aus, um nicht zu sagen sehr schlecht, berichtet er. Der Bestand bewege sich mittlerweile im einstelligen Bereich, wie viele genau, will der Experte noch nicht bekannt geben, denn es seien fehlten noch weitere Wiederholungsdurchgänge in manchen Teilgebieten. Doch soviel sei verraten: „Wir reden hier von Individuen, nicht von Brutpaaren.“

 

Die aktuellen Zahlen seien dem abschließenden Ergebnis schon sehr nahe, denn die Chance, dass es noch nennenswerte Veränderung gebe oder die Zahlen gar nach oben korrigiert werden müssten, gehe gegen null. Oft sei aber im März noch einmal eine große Dynamik bei den Revieren zu beobachten, ergänzt der Experte, so dass die endgültige räumliche Zuordnung der Paare erst dann möglich sei.

 

„Aber richtig erschreckend ist die Tatsache, dass es quasi keine Familienverbände oder so genannte Ketten mehr gibt. Normalerweise müsste man solche Ketten mit zehn, 15 oder mehr Individuen finden.“ Es seien aber nurmehr wenige Paare oder gar nur einzelne Hühner anzutreffen. „Das ist ganz und gar nicht nicht gut“, betont Eick, „denn das bedeutet, dass es keinen Bruterfolg im letzten Jahr gab.“ Und dies werfe natürlich Fragen nach dem Erfolg der bisher getroffenen Maßnahmen auf. Ist die Qualität der Biotopflächen gut genug? Sind es überhaupt genügend Blühstreifen? Welchen Einfluss hat die zunehmende Folienanbau auch im Kerngebiet des Rebhuhnbestandes? Sind solche Kulturen überhaupt zulässig?

 

Um diese Fragen zu klären, so kündigt der Sprecher des NABU Fellbach an, habe man nun einen Rechtsexperten eingeschaltet. „Wir sind Seitens des NABU überzeugt, dass es einige Versäumnisse und Rechtsverstösse gibt und lassen das zurzeit juristisch überprüfen.“ Es könne nicht sein, dass Ehrenamtliche regelmäßig Futterstationen für die letzten überlebenden Rebhühner betreuten, während im großen Stil systematisch der Lebensraum entwertet werde und die Verantwortlichen nur Schulter zuckend zuschauten. „Schon seit einigen Jahren kommt es auf jedes einzelne Rebhuhn an. Für den Schutz ist jedoch zu wenig passiert, während Baugebiete trotzdem ungehindert genehmigt wurden und die Folienfelder jedes Jahr immer mehr werden.“

 

(Erschreckend sei auch das geringe Auftreten von Singvögel. Kaum eine Goldammer, keine Hänflinge, Grünfinken oder Stieglitze, die sonst häufig solche Flächen besuchen. Auch beim Feldhasen sehe es nicht nach einer Überbevölkerung aus. Während rund um Oeffingen, Schmiden und Fellbach der Bestand von Meister Lampe zwar schon niedrig, aber noch zufriedenstellend sei, sehe es im Kernen und Weinstadt schon deutlich schlechter aus. Füchse jedoch seien überall viele zu sehen, ihre Zahl habe überall trotz der Staupe-Epedemie im letzten Jahr gefühlt eher zugenommen. An manchen Ecken riecht es sogar wortwörtlich nach Fuchs, denn der Harn der Rotröcke ist in der winterlichen Ranzzeit an vielen Ecken deutlich wahrnehmbar. „Füchse sehe ich manchmal mehr als Hasen. Dann wundert mich der geringe Besatz beim Niederwild nicht.“ Nur einen einzigen Jäger habe er in den zahlreichen Begehungen draußen getroffen.)

 

Besonders ärgerlich sei, dass bereits jetzt wieder einige der bisherigen Blühstreifen in Kultur genommen wurden, sprich gemulcht und z.T. schon umgepflügt wurden. „Da steht dann dieses Jahr Mais drauf und keine der artenreichen Blühmischungen“, klagt der Naturschützer. „So etwas darf nicht passieren!“ Zuerst müssten die neuen Flächen angelegt und eingesät werden, dann erst dürfe man die bisherigen Blühstreifen auflösen. „Andersherum ist das überhaupt nicht zulässig.“ Das werde sicher bei der nächsten Besprechung adressiert werden. Beim aktuellen Schutzkonzept müsse auf jeden Fall mit höchster Dringlichkeit nachgebessert werden. Eine weitere ganz große Gesprächsrunde mit allen Beteiligten lehnt Eick jedoch ab. Man habe schon viel zu viel Zeit mit runden Tischen verplempert. Die Probleme und die gesamten Maßnahmen seien seit Jahren klar. „Die Landwirte sollen sagen, welche zusätzlichen Flächen sie einbringen wollen, dann soll auf Arbeitsebene das beauftrage Büro das weitere Management abklären und die Einrichtung der Blühstreifen schnellstmöglich vorantreiben.“

 

Eine große Hoffnung setzt der Biologie des NABU in die zusätzlichen fünf Hektar, die von den Stadtwerken beigesteuert werden sollen. „Herr Ammon hatte erfreulicherweise diese Idee und hat über die Ökostromumlage der SWF auch gleich dafür gesorgt, dass die Finanzierung steht.“ Noch in diesem Frühjahr sollen die Flächen eingesät werden. Die Gemeinde Kernen habe zwar große Anstrengungen unternommen und einige Biotopflächen angelegt. Leider blieben diese bisher jedoch ohne jeglichen Erfolg. Das Rebhuhn ist dort mittlerweile vollständig verschwunden. „Kein Wunder, sagt Eick, „kamen die Maßnahmen doch zu spät. Wenn kein Rebhuhn mehr da ist, bringen auch die Blühstreifen nichts.“ Die Flächen dort würden auch einige Probleme preisgeben, wie zum Beispiel Trampelpfade von Spaziergängern mit Hunden. „Wenn dort jeden Tag jemand zweimal mit dem Hund durchgeht, wird sich da nie ein Rebhuhn ansiedeln.“ Die gestern beschlossene Schutzzone mit einem Leinengebot sei ein Schritt in die richtige Richtung. Hier könne sich die Stadt Fellbach ruhig ein Beispiel nehmen.

 

Abschließend stellt der Experte fest: Für das Rebhuhn sei es immer noch nicht zu spät. In den nächsten ein bis zwei Jahren gebe es wohl noch die Chance für eine Trendwende. Dann sei es vielleicht für immer aus oder es gebe ein Comeback. Die Erfahrungen aus anderen Projektgebieten zeigten, dass es mit einer Rebhuhn-Population zwar sehr schnell bergab gehen könne, aber dafür auch explosionsartig wieder nach oben. Aber es brauche ohnehin ein kleines Wunder, dass sich der Bestand wieder erholen könne. „An dieses Wunder müssen glauben und alles dafür tun, dass es wahr werden kann.“


Foto (M. Eick) - Rebhuhnfamilie im Winter - mittlerweile ein seltener Anblick.

 

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